Die europäische Automobilindustrie steht vor einer beispiellosen Herausforderung. Chinas jüngste Exportbeschränkungen für seltene Erden haben tiefgreifende Auswirkungen auf die gesamte Lieferkette. Diese kritischen Mineralien sind für die Herstellung zahlreicher Komponenten in modernen Fahrzeugen unerlässlich, von Elektromotoren bis hin zu kleinen Bauteilen wie Scheibenwischern.
Auswirkungen der chinesischen Exportkontrollen auf europäische Hersteller
Seit April 2025 hat China die Ausfuhr einer breiten Palette seltener Erden und verwandter Magnete eingeschränkt. Diese Maßnahme hat die globalen Lieferketten erschüttert und betrifft besonders die Automobil-, Luft- und Raumfahrt- sowie Halbleiterindustrie. Europäische Zulieferer spüren die Folgen bereits deutlich.
Der europäische Automobilzuliefererverband CLEPA berichtet, dass mehrere Produktionslinien stillgelegt wurden, nachdem die Vorräte erschöpft waren. Von Hunderten von Exportlizenzanträgen, die seit Anfang April von Automobilzulieferern gestellt wurden, wurde bisher nur ein Viertel genehmigt. Einige Anträge wurden aus « hochprozeduralen Gründen » abgelehnt.
Mercedes-Benz-Produktionschef Joerg Burzer erklärte, dass er mit den wichtigsten Zulieferern des Unternehmens über den Aufbau von « Puffern » wie Lagerbeständen seltener Erden spricht, um sich gegen potenzielle Versorgungsengpässe zu schützen. Derzeit sei Mercedes nicht von der Knappheit betroffen.
BMW hingegen berichtet, dass ein Teil seines Zulieferernetzwerks von der Knappheit betroffen ist, während die eigenen Werke normal weiterarbeiten. Der schwedische Airbag- und Sicherheitsgurthersteller Autoliv hat vorsorglich eine Task Force eingerichtet, um die Situation zu bewältigen.
| Unternehmen | Aktuelle Situation | Getroffene Maßnahmen |
|---|---|---|
| Mercedes-Benz | Noch nicht betroffen | Verhandlungen über Pufferbestände |
| BMW | Zulieferer betroffen, eigene Werke normal | Alternative Motoren ohne Magnete |
| Volkswagen | Keine aktuellen Engpässe | Monitoring der Situation |
| Autoliv | Keine Betriebsbeeinträchtigung | Einrichtung einer Task Force |
Strategien zur Reduzierung der Abhängigkeit von China
Die aktuelle Krise unterstreicht Chinas Dominanz im Bereich der kritischen Mineralien. Das Land produziert rund 90% der weltweiten seltenen Erden, die für die grüne Energiewende entscheidend sind. Diese Vormachtstellung dient als Druckmittel im Handelskonflikt mit den USA und hat weltweite Auswirkungen.
EU-Handelskommissar Maros Sefcovic erklärte am 4. Juni 2025, dass er und sein chinesischer Amtskollege vereinbart haben, die Situation der seltenen Erden so schnell wie möglich zu klären. EU-Kommissar für Industriestrategie Stephane Sejourne betonte: « Wir müssen unsere Abhängigkeiten von allen Ländern reduzieren, insbesondere von Ländern wie China, von denen wir zu mehr als 100% abhängig sind. »
Die Europäische Union hat als Reaktion 13 neue Projekte außerhalb des Blocks identifiziert, die darauf abzielen, die Versorgung mit essentiellen Metallen und Mineralien zu erhöhen. Gleichzeitig arbeiten Automobilhersteller an technologischen Alternativen:
- Entwicklung magnetfreier Elektromotoren (BMW)
- Forschung an Motoren mit geringem oder keinem Seltenerdgehalt (GM, ZF, BorgWarner)
- Aufbau strategischer Lagerbestände (Mercedes-Benz)
- Diversifizierung der Lieferketten außerhalb Chinas
- Verbesserung des Recyclings kritischer Materialien
Wolfgang Weber, CEO des deutschen Verbands der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI, warnt jedoch, dass einige Unternehmen nur noch Vorräte für wenige Wochen oder Monate haben. « Unternehmen fühlen sich derzeit von der Politik im Stich gelassen und suchen teilweise auf eigene Faust nach Lösungen für ihre schwierige Situation in China », erklärte er.
Handelskonflikt zwischen China und den USA
Die Exportbeschränkungen Chinas stehen im Zusammenhang mit einem breiteren Handelskonflikt mit den USA. Die langsame Lockerung der Exportkontrollen für kritische Mineralien ist zu einem Schwerpunkt der Kritik von US-Präsident Donald Trump an Peking geworden. Trump wirft China vor, gegen den im vergangenen Monat erzielten Waffenstillstand zur Rücknahme von Zöllen und Handelsbeschränkungen verstoßen zu haben.
Trump hat versucht, die Handelsbeziehung der USA zu seinem größten wirtschaftlichen Rivalen neu zu definieren, indem er hohe Zölle auf importierte Waren erhob. Dies geschah in der Hoffnung, das Handelsdefizit zu verringern und verlorene Produktionskapazitäten zurückzugewinnen. China hat mit eigenen Zöllen reagiert und nutzt seine Dominanz in wichtigen Lieferketten, um Trump zum Einlenken zu bewegen.
Die Exportbeschränkungen für seltene Erden betreffen zwar formal alle Länder gleichermaßen, werden jedoch als strategisches Druckmittel im Handelskonflikt mit den USA gesehen. Diese geopolitischen Spannungen haben direkte Auswirkungen auf die europäische Industrie, die als « Kollateralschaden » in diesem Konflikt betrachtet werden kann.
Für die europäische Automobilindustrie bedeutet dies eine doppelte Herausforderung: Einerseits muss sie kurzfristige Lösungen für die Versorgungsengpässe finden, andererseits langfristige Strategien entwickeln, um ihre Abhängigkeit von einem einzelnen Lieferanten zu reduzieren. Die aktuelle Krise könnte somit zum Katalysator für eine grundlegende Transformation der globalen Lieferketten in der Automobilindustrie werden.
- Sind Staatssubventionen für Autohersteller in Kanada noch sinnvoll ? - novembre 17, 2025
- GTA VI-Trailer ist der meistgesehene Trailer in der YouTube-Geschichte - novembre 14, 2025
- Schriftsteller Boualem Sansal von Algerien begnadigt und in Deutschland angekommen - novembre 14, 2025



