Autoindustrie bremst nach Rekordausgaben für Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren

Autoindustrie bremst nach Rekordausgaben für Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren

Die Automobilindustrie befindet sich in einer Phase des Umbruchs. Nach Jahren massiver Investitionen in Elektrofahrzeuge und autonomes Fahren ziehen viele Hersteller nun die Notbremse. Der Grund : Die erhofften Renditen bleiben aus, während die Kosten weiter steigen. Dieser Artikel beleuchtet die Hintergründe dieser Entwicklung und zeigt auf, welche Strategien die Branche verfolgt, um wieder auf Kurs zu kommen.

Rekordinvestitionen und ihre Folgen

In den vergangenen Jahren haben Autohersteller weltweit Milliarden in Zukunftstechnologien investiert. Elektromobilität und autonomes Fahren standen dabei im Fokus. Laut der Beratungsfirma AlixPartners stiegen die Ausgaben für Forschung, Entwicklung und Kapitalinvestitionen der Top 25 Automobilunternehmen von etwa 200 Milliarden Dollar im Jahr 2015 auf 266 Milliarden Dollar im Jahr 2023 – ein Anstieg um 33%.

Besonders drastisch fiel die Steigerung bei General Motors aus. Trotz eines Rückgangs der globalen Verkäufe um 38% erhöhte der Konzern seine Ausgaben um 62% auf 20,6 Milliarden Dollar. Auch andere Hersteller wie Volkswagen (+42%), Toyota (+37%) und Stellantis (+27%) verzeichneten deutliche Zuwächse.

Diese enormen Investitionen haben jedoch nicht die erhofften Früchte getragen. EV-Startups wie Rivian und Lucid verbrannten seit 2022 16 bzw. 8,8 Milliarden Dollar an freiem Cashflow. Die Branche steht nun vor der Herausforderung, ihre Ausgaben zu reduzieren und gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben.

Das « Capital Junkie »-Dilemma

Bereits 2015 warnte der verstorbene Fiat Chrysler CEO Sergio Marchionne in seiner berühmten Präsentation « Confessions of a Capital Junkie » vor den Gefahren übermäßiger Kapitalausgaben in der Autobranche. Er argumentierte, dass die Industrie durch Konsolidierung und gemeinsame Investitionen Milliarden einsparen könnte.

Marchionnes Warnung gewinnt heute erneut an Relevanz. Morgan Stanley-Analyst Adam Jonas hat eine Kennzahl entwickelt, die er « The Sergio Quotient » nennt. Sie zeigt, wie schnell Unternehmen ihre Marktkapitalisierung in Kapitalausgaben und Forschung & Entwicklung ausgeben :

  • Durchschnittliches S&P 500-Unternehmen : 50 Jahre
  • Toyota : 14,4 Jahre
  • Ford : 2,6 Jahre
  • General Motors : 1,9 Jahre
  • Volkswagen : 1,8 Jahre

Diese Zahlen verdeutlichen das strukturelle Problem der Automobilindustrie. Die hohen Investitionen führen zu einer niedrigen Kapitalrendite (ROIC) von etwa 7 oder weniger, während Technologieunternehmen wie Google-Mutter Alphabet Werte um 22 erreichen.

Strategien zur Kostensenkung

Angesichts dieser Herausforderungen ergreifen Autohersteller nun drastische Maßnahmen zur Kostensenkung :

Unternehmen Maßnahmen
General Motors Milliardeneinsparungen bei Fixkosten, Tausende Entlassungen
Ford Kostenreduzierung, Streichung eines geplanten Elektro-SUV
Volkswagen Massives Sparprogramm, mögliche Werksschließungen in Deutschland
Nissan Umfangreiche Umstrukturierung, Stellenabbau
Stellantis Reorganisation, Fokus auf profitable Märkte

Viele Unternehmen setzen zudem auf Partnerschaften und Kooperationen, um Kosten zu teilen. So haben GM und Hyundai eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit in Schlüsselbereichen geschlossen. Auch Volkswagen und Rivian planen eine gemeinsame Softwareentwicklung.

Lucid-CEO Peter Rawlinson betont die Notwendigkeit der Kostensenkung : « Müssen wir bei jedem Auto, das wir herstellen, die Kosten senken ? Absolut. Wir arbeiten eifrig daran. » Der Elektroauto-Hersteller hat eine spezielle Task Force eingerichtet, um Einsparpotenziale zu identifizieren.

Herausforderungen und Ausblick

Die Automobilindustrie steht vor komplexen Herausforderungen. Neben den hohen Investitionskosten kämpfen die Hersteller mit :

  • Schwächelnder Nachfrage in wichtigen Märkten
  • Steigenden Rohstoffkosten
  • Zunehmender Konkurrenz aus China
  • Unsicherheiten bezüglich der Regulierung von Elektrofahrzeugen

Besonders der chinesische Markt bereitet vielen Herstellern Sorgen. Traditionelle Marktführer wie VW und GM verlieren dort zunehmend Marktanteile an einheimische Konkurrenten. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Profitabilität und zwingt zu Umstrukturierungen.

Trotz dieser Herausforderungen gibt es auch positive Signale. General Motors beispielsweise konnte trotz hoher Investitionen in Elektromobilität und autonomes Fahren einen freien Cashflow von rund 27 Milliarden Dollar am Ende des dritten Quartals vorweisen. CFO Paul Jacobson betonte die Wichtigkeit einer disziplinierten Kapitalallokation : « Man möchte in einer Organisation sein, die mehr Ideen hat, als sie finanzieren kann. Unsere Aufgabe ist es, das zu priorisieren und zuzuweisen. »

Die Zukunft der Automobilindustrie wird maßgeblich davon abhängen, wie gut es den Unternehmen gelingt, Investitionen in Zukunftstechnologien mit strikter Kostenkontrolle in Einklang zu bringen. Nur wer diesen Balanceakt meistert, wird langfristig erfolgreich sein. Die kommenden Jahre werden zeigen, welche Strategien sich als erfolgreich erweisen und welche Unternehmen die Transformation der Branche am besten bewältigen.

hanna
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