In der deutschen politischen Landschaft zeichnet sich ein bedeutender Konflikt innerhalb der SPD ab. Am 11. Juni 2025 veröffentlichte eine Gruppe von etwa hundert Persönlichkeiten, die dem Sozialdemokratischen Spektrum nahestehen, ein Dokument mit dem Titel « Manifest für Frieden in Europa durch Verteidigungsfähigkeit, Rüstungskontrolle und gegenseitiges Verständnis ». Diese Initiative, die sich selbst als « Friedenskreis der SPD » bezeichnet, fordert eine grundlegende Neuausrichtung der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik.
Der friedenspolitische Flügel formiert sich gegen die Parteiführung
Die Veröffentlichung des sechsseitigen Manifests markiert einen offenen Bruch mit der aktuellen Linie der SPD-Führung. Nach den Bundestagswahlen vom 23. Februar hatte die Partei ihre Regierungsbeteiligung unter Führung der Konservativen (CDU-CSU) auf Basis einer verstärkten Aufrüstung der Bundeswehr und einer entschiedeneren Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Russland ausgehandelt.
Die Unterzeichner kritisieren scharf, dass sich in Deutschland und den meisten europäischen Staaten Kräfte durchgesetzt haben, die eine militärische Konfrontationsstrategie und milliardenschwere Aufrüstungsprogramme befürworten. Stattdessen plädieren sie für einen alternativen Ansatz, der auf Deeskalation und Dialog setzt.
Die pazifistische Tradition hat in der SPD tiefe historische Wurzeln. Bereits unter Willy Brandt entwickelte die Partei die « Ostpolitik », die auf Entspannung und Annäherung mit dem Ostblock setzte. Diese Tradition scheint nun durch die aktuelle Ausrichtung der Partei gefährdet.
Kritik an Verteidigungsausgaben und Forderung nach Dialogaufnahme mit Moskau
Ein zentraler Kritikpunkt des Manifests richtet sich gegen die geplante Erhöhung des Verteidigungshaushalts. Die Unterzeichner bezeichnen die vom neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) angestrebte Aufstockung der Verteidigungsausgaben auf « 3,5% oder 5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) » als « irrational ». Zum Vergleich: Derzeit investiert Deutschland etwa 2,1% seines BIP in militärische Zwecke.
Die Verteidigungsausgaben verschiedener NATO-Mitglieder stellen sich wie folgt dar:
| Land | Verteidigungsausgaben (% des BIP) | Trend |
|---|---|---|
| Deutschland | 2,1% | Steigend |
| USA | 3,5% | Stabil |
| Frankreich | 2,0% | Leicht steigend |
| Polen | 4,0% | Stark steigend |
Verteidigungsminister Boris Pistorius, selbst SPD-Mitglied, steht vor der Herausforderung, zwischen den verschiedenen Positionen innerhalb seiner Partei zu vermitteln. Während er offiziell die Regierungslinie vertritt, muss er gleichzeitig den wachsenden Unmut des pazifistischen Flügels berücksichtigen.
Die Unterzeichner fordern explizit eine « Wiederaufnahme des Dialogs mit Moskau ». Diese Forderung steht im direkten Gegensatz zur aktuellen Politik der Bundesregierung, die diplomatische Beziehungen zu Russland auf ein Minimum reduziert hat.
Vision einer alternativen Sicherheitsarchitektur für Europa
Das Manifest geht über Kritik hinaus und skizziert eine alternative Vision für die europäische Sicherheitsarchitektur. Die Unterzeichner beklagen, dass Europa derzeit « sehr weit von einer Friedens- und Sicherheitsordnung entfernt » sei. Sie fordern folgende Maßnahmen:
- Entwicklung neuer Abrüstungsinitiativen statt Teilnahme an einem neuen Wettrüsten
- Stärkung von diplomatischen Kanälen auch in Krisenzeiten
- Förderung von zivilgesellschaftlichem Austausch zwischen Ost und West
- Schaffung neuer Vertrauensbildender Maßnahmen im europäischen Raum
- Investition in gemeinsame Sicherheitsstrukturen statt nationaler Aufrüstung
Die Gruppe erkennt die Notwendigkeit einer verteidigungsfähigen europäischen Gemeinschaft an, betont jedoch, dass Sicherheit nicht primär durch militärische Stärke, sondern durch gegenseitiges Verständnis und Kooperation erreicht werden sollte.
Politische Implikationen für die Regierungskoalition
Die Veröffentlichung des Manifests hat erhebliche politische Sprengkraft. In einer Zeit, in der die CDU-geführte Regierung einen klaren Kurs der militärischen Stärkung und Konfrontation mit Russland verfolgt, deutet die Initiative auf tiefe Risse innerhalb des Regierungslagers hin.
Die aktuelle Situation stellt die SPD vor ein strategisches Dilemma: Einerseits hat sie als Juniorpartner in der Regierungskoalition dem sicherheitspolitischen Kurs zugestimmt, andererseits regt sich nun deutlicher Widerstand aus den eigenen Reihen. Diese Spannungen könnten die Stabilität der Koalition gefährden.
Besonders bemerkenswert ist die Timing dieser Initiative. Genau zu einem Zeitpunkt, wo die Verteidigungspolitik im Mittelpunkt der öffentlichen Debatte steht, meldet sich der pazifistische Flügel der SPD mit einer kraftvollen Gegenposition.
Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Parteiführung auf die Forderungen des « Friedenskreises » eingehen oder an ihrer bisherigen Linie festhalten wird. Für den SPD-Vorsitzenden könnte dies zu einem schwierigen Balanceakt zwischen Regierungsverantwortung und innerparteilicher Geschlossenheit werden.
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